Mit dem Wettrennen um einen Wirkstoff gegen COVID-19 stehen auch Tierversuche wieder verstärkt im Fokus. Denn eines ist klar: Bei der Entwicklung und Zulassung einer Impfung oder eines Medikaments gegen das neue Virus «SARS-CoV-2» werden auch Tiere zum Einsatz kommen. In den Schweizer Medien wurde deshalb in kurzer Zeit zweimal das Antragsverfahren für Tierversuche in Zürich thematisiert – einmal im Tages-Anzeiger [0] und einmal auf Higgs [1] – mit deutlicher Kritik vonseiten der Forschenden.
Im Fokus der Kritik steht das Antragsverfahren, das aus Sicht der zitierten Forschenden zu bürokratisch sei und auch zu lange dauere. Die Forschenden schweigen sich jedoch weitgehend darüber aus, wie sich das Verfahren effizienter gestalten liesse, ohne dabei die sorgfältige Überprüfung der Anträge zu gefährden. Das ist schade, denn das Antragsverfahren ist nicht nur für die Forschenden, sondern auch für die Mitglieder der Kommission und die Angestellten des Veterinäramts aufwändig. Gegen konstruktive Lösungsvorschläge hätte deshalb wohl niemand etwas einzuwenden.
Pauschale Seitenhiebe in den Medien gegen die Arbeit der Behörden helfen hingegen kaum, weil sie keinen Austausch zulassen. Denn die Kritisierten dürfen sich – rein rechtlich – nur sehr beschränkt zu Wort melden. Das Antragsverfahren und die Beratungen der Behörden fallen unter das Amtsgeheimnis. Wenn Forschende also kritisieren, dass eine bestimmte Entscheidung des Amts unverhältnismässig oder falsch sei, dann dürfen sich Amt und Kommission öffentlich nicht zu den Gründen für den Entscheid äussern. Wenn Rückfragen oder Auflagen kritisiert werden, dann dürfen sich Amt und Kommission öffentlich nicht zu den Gründen dafür äussern. Und wenn die Länge eines Verfahrens kritisiert wird, dann dürfen Amt und Kommission sich öffentlich nicht zu den Gründen dafür äussern.
Nur wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, darf das Amtsgeheimnis gelüftet werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es konkrete und nachweisbar falsche Informationen richtigzustellen gilt [2]. Die zu korrigierende Behauptung muss hierfür aber klar umrissen sein, d.h. pauschale Kritik an der Arbeit der Behörden reicht als Grund nicht aus, um die Geheimnispflicht aufzuheben. Das gilt im Übrigen auch für Kritik, die vonseiten von Tierschutzorganisationen kommt.
Eine weitere Möglichkeit, wie Kommissionsmitglieder und Veterinäramt zu einem konkreten Gesuch Stellung beziehen könnten, besteht in der expliziten Einwilligung der involvierten Forschenden [2]. Wenn diese zum Beispiel ihre Anträge selber öffentlich machen, sodass sie für alle einsehbar sind, können sich auch die Mitglieder der Behörden an einer öffentlichen Diskussion über das Antragsverfahren beteiligen. Geschieht das jedoch nicht, dann können sie sich gegen medial geäusserte Pauschalvorwürfe auch dann nicht verteidigen, wenn sie es wollten. Das Bild, das über die Medien in die Öffentlichkeit getragen wird, ist deshalb zwangsläufig einseitig, weil nur die Kritiker, nicht aber die Kritisierten zu Wort kommen. Medienschaffende sollten das in ihrer Berichterstattung berücksichtigen und explizit auf diese rechtliche Einschränkung hinweisen.
Relevante Interessenbindungen
Ich bin seit Sommer 2019 Mitglied der Zürcher Tierversuchskommission, angestellt an der Universität Zürich und im Vorstand der «Basel Declaration Society». Siehe hier für eine vollständige Liste aller Interessenverbindungen.
[0] Riklin, Fabienne (2020.03.21). Covid-Forschungen sind in Gefahr. Tages-Anzeiger (https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/coronavirus/covidforschungen-sind-in-gefahr/story/19459438, abgerufen am 26. März 2020).
[1] Glogger, Beat (2020.03.13). «Was der Bundesrat beschlossen hat, ist absurd». Higgs (https://www.higgs.ch/was-der-bundesrat-beschlossen-hat-ist-absurd/30064/, abgerufen am 26. März 2020).
[2] Häner, Isabelle, Gieri Bolliger, Antoine F. Goetschel (2011). Geheimhaltungspflicht von Mitgliedern der Tierversuchskommission. Schulthess. S. 45 ff.