Ein Beitrag aus dem Tansania Blog von «NZZ Campus» (heute NZZ Karriere) vom 29. November 2014.
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«Und? Wie ist es so in Tansania?»
Diese Frage wurde mir in den vergangenen drei Monaten ziemlich oft gestellt, wenn ich mit Freunden oder Bekannten aus der Schweiz auf meinen Auslandaufenthalt zu sprechen kam.
Vereinzelt auch gefolgt von der Frage, warum ich denn im Blog nicht mehr über Tansania berichten würde.
Die richtigen Worte finden
Ja, warum eigentlich? Ich muss zugeben: Es fällt mir leichter, über die globale Bürde von Tuberkulose zu schreiben, den Zusammenhang zwischen Tuberkulose und Vampiren zu erläutern oder den Ebola-Alarmismus gewisser Schweizer Politiker zu kritisieren, als ein Bild von Tansania und seinen Leuten zu zeichnen.
Natürlich habe ich bereits den einen oder anderen Blog-Artikel verfasst, der einen kleinen Einblick in tansanische Besonderheiten gibt. Doch je länger ich mich hier in Ostafrika aufhalte, desto schwieriger fällt es mir, das Land und die Menschen, die hier leben, in Worte zu fassen.
Nur ein kleiner Einblick
Ein Grund ist sicherlich, dass ich bis anhin lediglich einen klitzekleinen Ausschnitt von Tansania erlebt habe. Ich war für drei Wochen in Sansibar und habe mich seither nur im Raum Bagamoyo und Dar es Salaam bewegt – keine wirklich repräsentative Stichprobe für ein Land von knapp 1 Million Quadratkilometer Fläche, mit über 40 Millionen Einwohnern und über 260 verschiedenen ethnischen Gruppen.
Erfahrungsberichte
Natürlich könnte ich davon erzählen, wie man die Lampen der traditionellen Fischerboote (jahazi) selbst dann noch draussen am Horizont erspähen kann, wenn Blitze die Nacht zum Tag machen und ohrenbetäubender Donner im Himmelsgebälk kracht.
Ich könnte mich auch darüber beklagen, dass gewisse Bajaj-Fahrer auch nach drei Monaten in Bagamoyo noch immer den überteuerten «Mzungu-Preis» («Preis für Weisse») von mir verlangen.
Oder ich berichte vom Velomechaniker (fundi wa baisikeli) der mir ungefähr alle zwei Wochen eine gerissene Kette oder einen platten Reifen flickt – innerhalb von 10 Minuten für umgerechnet 50 Rappen.
Hotelpraktikanten, Touristen – und ich
Das ist mein Tansania. Es ist jedoch weder das Tansania des österreichischen Hotelpraktikanten, den ich auf Sansibar getroffen habe, noch der deutschen Rucksacktouristin, die das Land erkunden wollte.
Mein Bild von Tansania deckt sich kaum mit jenem des norwegischen Geschäftsmanns, der einmal jährlich ins Land kommt, um das Vorankommen seines Hilfsprojektes in Augenschein zu nehmen; es hat wenig zu tun mit den Erfahrungen, die zwei holländische Bekannte von mir in einem Spital im Nordwesten des Landes machen.
Und vor allem ist mein Tansania in keiner Weise zu vergleichen mit dem Tansania jener Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind.
Privilegierte Minderheit
Ich bin ausgesprochen froh, über fliessend Wasser und eine (relativ) stabile Stromversorgung zu verfügen; mir ab und zu einen Espresso gönnen zu können; eine verhältnismässig moderne Unterkunft zu haben; mich im Krankheitsfall auf die Militärversicherung verlassen zu können.
Ich weiss aber auch, dass es immer noch eine Minderheit in diesem Land ist, die über solche Privilegien verfügt. Aus diesem Grund will ich mir auch nicht anmassen, über «das Leben in Tansania» berichten zu können. Denn es wäre zwangsläufig ein verkürztes, einseitiges und verzerrtes Bild, das ich beschreiben würde.
Deshalb hoffe ich, dass mir die kommenden drei Monate ausreichend Gelegenheit für weitere Entdeckungsreisen geben werden – auf dass ich am Ende vielleicht ein bisschen mehr über dieses unbekannte Land zu erzählen habe.