Ein Beitrag aus dem Tansania Blog von «NZZ Campus» (heute NZZ Karriere) vom 24. Oktober 2014.
---
Fast drei Monate sind vergangen, seitdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ebola-Epidemie in Westafrika zum globalen Gesundheitsnotfall erklärt hat. Die Krankheit fordert noch immer zahlreiche Opfer in Liberia, Guinea und Sierra Leone, hat sich seither aber nicht weiter ausgebreitet.
Obwohl die Schweiz noch keinen einzigen Ebola-Fall zu verzeichnen hatte und das Risiko dafür weiterhin sehr gering ist, machen sich immer mehr Menschen Sorgen vor einem Ausbruch der Krankheit innerhalb der Landesgrenzen.
Während Bundesrat und Gesundheitsdienste beruhigen, schlägt die grösste Schweizer Partei Alarm. Mit verschiedenen Forderungen hat sich die SVP diese Woche in die Debatte eingemischt. Allderdings sind die Forderungen entweder schon längst umgesetzt, tragen nichts zur Eindämmung der Epidemie bei oder könnten sogar kontraproduktiv sein.
«Umfassendes Konzept» zum Schutz der Bevölkerung
An erster Stelle fordert die SVP vom Bund ein «umfassendes Konzept», um die Schweizer Bevölkerung vor einer Ebola-Ansteckung zu schützen.
Glücklicherweise hat der Bundesrat schon vor drei Monaten reagiert und nicht erst jetzt.. Ein Blick auf die Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeigt, dass bereits seit einem Vierteljahr eine «Ebola-Task-Force» besteht, die zusammen mit den Kantonen das Vorgehen an den Grenzen und in den Flughäfen koordiniert sowie einen Notfallplan erstellt. Im Übrigen hat der Bundesrat auch während der Herbstsession schon über die bisherigen und zukünftigen Massnahmen zum Schutz vor Ebola informiert.
Zudem haben Bund und Kantone dank der Annahme des neuen Epidemiegesetzes, über das wir vergangenes Jahr abstimmen durften, genügend Instrumente zur Hand, um eine Ausbreitung von Ebola im Notfall rasch und effektiv verhindern zu können. Interessantes Detail: Die SVP, welche jetzt nach Sofort-Massnahmen des Bundes verlangt, hat sich vor einem Jahr noch vehement gegen dieses Gesetz ausgesprochen.
Einstellung von Asylverfahren und Einreisverbote
Die zweite Forderung umfasst Einreiseverbote für Flüchtlinge aus Westafrika und die Einstellung von Asylverfahren für Personen aus dieser Region.
Hier stellt sich die Frage, ob nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird: Denn laut der Asylstatistik des Bundes gab es im Jahre 2013 62 neuen Asylanträge aus Liberia, 347 aus Guinea und 76 aus Sierra Leone. Das sind 0.3%, 1.6% bzw. 0.4% aller Asylgesuche.
Überdies besitzen Flüchtlinge in der Regel kein Visum, was eine Einreise in die Schweiz per Flugzeug praktisch ausschliesst (es gibt nicht einmal Direktflüge aus den drei betroffenen Ländern). Das zeigt sich auch an den Asylzahlen des Bundes: Im Jahre 2013 wurden gerade einmal 1.8% aller Asylgesuche an Flughäfen gestellt.
Einmal quer durch Afrika…
Bleibt also noch die Einwanderung auf dem Landweg. Auch hier scheint eine Einschleppung der Krankheit durch Flüchtlinge aus Westafrika praktisch ausgeschlossen: Einerseits haben Guinea, Sierra Leone und Liberia sowie deren Nachbarländer (mit Ausnahme von Mali) die Grenzen wegen Ebola bereits seit Längerem abgeriegelt. Und andererseits ist da noch die simple Tatsache, dass es sich bei Afrika um den zweitgrössten Kontinent der Welt handelt, der sich nicht ohne weiteres durchqueren lässt.
Von Conakry, der Hauptstadt Guineas, führt eine der Hauptmigrationsrouten über 6'500 km durch die Sahara und verschiedene Krisengebiete nach Tunis. Zur Veranschaulichung: Das ist eine grössere Distanz, als man mit dem Flugzeug von Zürich nach New York zurücklegt und entspricht knapp der Autostrecke Bern-Kabul. Und um von der nordafrikanischen Küste in die Schweiz zu gelangen, müssten noch einmal über 2'000 km überwunden werden (inklusive der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer). Die Reise der Flüchtlinge würde deshalb in der Regel wochen-, monate- oder sogar jahrelang dauern.
…in weniger als 21 Tagen?
Für mich ist es deshalb nur schwer vorstellbar, wie Menschen aus Westafrika in weniger als 21 Tagen auf dem Landweg in die Schweiz gelangen sollen – ohne Papiere, ohne grössere technische Hilfsmittel und ohne Kenntnisse der jeweiligen Landessprachen.
Die 21 Tage sind deshalb von Bedeutung, weil es sich dabei um die maximale Inkubationszeit von Ebola handelt. Das heisst, wenn eine Person nach drei Wochen noch keine Symptome der Krankheit zeigt, dann trägt sie den Erreger auch nicht in sich.
Bricht die Krankheit jedoch aus, dann ist an eine Weiterreise ohnehin nicht mehr zu denken. Die Symptome sind – wie ich bereits in diesem Blog beschrieben hatte – jeweils so schwer, dass sich die Patienten kaum mehr auf den Beinen halten können.
Grenzen dicht = Problem gelöst?
Aber selbst wenn wir den extrem unwahrscheinlichen Fall annehmen, dass es Leute gibt, die in weniger als drei Wochen aus einem Land mit Ebola in die Schweiz gelangen, dann wäre ein Einreisverbot für Flüchtlinge wohl eine der kurzsichtigsten Massnahmen, die man treffen könnte. Die entsprechenden Personen würden untertauchen, sodass sie im Krankheitsfall nicht gleich isoliert werden könnten. Die Erkrankung bliebe also vorerst unentdeckt, was das Risiko für eine Ansteckung weiterer Personen massiv erhöht.
Quarantänestationen und Meldepflicht
Natürlich gilt es wachsam zu bleiben und die weitere Entwicklung von Ebola genau zu verfolgen. Ebola-Fälle in der Schweiz sind zwar unwahrscheinlich, aber eben auch nicht ausgeschlossen. Einige SVP-Forderungen sind deshalb durchaus vernünftig – nur wurden sie schon längst umgesetzt: So stehen bereits seit geraumer Zeit in Genf, Basel, Lausanne, Bern und Zürich Quarantänestationen bereit. Und auch die Forderung nach einer «lückenlosen Durchsetzung» der Meldepflicht ist eigentlich unnötig: Die Spitäler registrieren bereits jetzt alle Verdachtsfälle und dank (über)eifriger Medienberichterstattung weiss sofort auch die ganze Schweiz, ob jemand in Lausanne oder Bern wegen eines Ebola-Verdachts eingeliefert wurde.
Hilfe vor Ort ist ebenso wichtig
Bei alledem sollten wir aber nicht vergessen, dass es die Länder Westafrikas sind, welche die grösste Bürde zu tragen haben. Der Kampf gegen Ebola wird primär in Liberia, Guinea und Sierra Leone geführt. Dort sterben die Menschen, nicht in der Schweiz.
Der Bund sollte deshalb darum bemüht sein, bei der Bekämpfung der Krankheit vor Ort zu helfen. Nicht nur aufgrund der oft beschworenen, aber immer seltener gelebten «humanitären Tradition» der Schweiz, sondern auch aus reinem Eigennutz: Denn die rasche Eindämmung von Ebola in den betroffenen Ländern würde die Schweizer Bevölkerung langfristig wohl am wirksamsten schützen.
Keine Armeeangehörigen in Westafrika?
Insofern mutet es seltsam an, dass die SVP keine Schweizer Soldaten zur Unterstützung der Hilfsaktionen in Westafrika entsenden will. In der Regel wird die Partei nämlich nicht müde zu betonen, dass die Kernaufgabe der Armee in der Landesverteidigung und der Garantie der Sicherheit der Bevölkerung bestehe.
Würde die Armee bei der Eindämmung der Epidemie tatsächlich mithelfen, dann täten die Schweizer Soldaten doch genau das, was die SVP immer von ihnen verlangt: Die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung gewährleisten und das Land verteidigen; nicht vor einer eingebildeten Bedrohung durch die Franzosen, sondern vor einer realen Gefahr.