Ein Beitrag aus dem Tansania Blog von «NZZ Campus» (heute NZZ Karriere) vom 26. September 2014.
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Die Einreise in ein fremdes Land ist stets mit allerlei Formalitäten verbunden. Seit meiner Ankunft hatte ich genügend Gelegenheit, verschiedene Beispiele bürokratischer Skurrilität zu erleben. Eine besonders nervenaufreibende Episode spielte sich in einer Klinik in Daressalam ab.
Der Grund für meinen dortigen Besuch war eine Magen-Darm-Infektion, welche ich mir in Sansibar eingefangen hatte und die ich auch nach meinem Umzug nach Bagamoyo nicht loswurde. So litt ich zwei Wochen am «Pyramiden-Sidestep», hatte «Reisediarrhö», erfuhr «Montezumas Rache» beziehungsweise wurde vom «Fluch des Pharaos» verfolgt. Ist es nicht erstaunlich, wie viele wunderbar kreative Beschönigungen es gibt, um das Wörtchen «Durchfall» zu umschreiben? Wahrscheinlich kommt das daher, dass bei Aufenthalten in Entwicklungsländern mehr als die Hälfte der Reisenden daran erkrankt.
Nach wenigen Tagen ist der Spuk aber bei den meisten vorbei; nur einzelne Betroffene haben länger anhaltende Symptome. Da ich leider in diese Kategorie fiel und dazu noch ab und an Fieber bekam, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mich in Daressalam in einer Klinik untersuchen zu lassen.
Bürokratische Aufwärmübungen
Zu Beginn verlief alles ganz harmlos. Nach meiner Ankunft in der Klinik musste ich nur ein kurzes Eintrittsformular ausfüllen und wurde dann auch gleich zum Arzt vorgelassen. Dieser erklärte mir nach einigen Standardfragen, dass ich zur weiteren Untersuchung eine Stuhlprobe abgeben müsse und mich dafür bei der Rezeption melden solle. Bis zur Rezeption lief noch alles reibungslos ab. Ich erhielt den Behälter für die Stuhlprobe ausgehändigt und wurde angewiesen, mich anschliessend im Labor zu melden.
Als ich dort anklopfte, begrüssten mich zwei Laborantinnen ausgesprochen freundlich. Ebenso freundlich wie bestimmt teilten sie mir dann aber mit, dass sie die Stuhlprobe ohne das rote Formular nicht untersuchen könnten. «Rotes Formular?» – «Fragen Sie am besten an der Rezeption, die wissen Bescheid».
Diese Aussage stellte sich rasch als falsch heraus. Die Rezeptionistin schaute mich nämlich nur mit grossen Augen an, als ich sie um das Formular bat – anscheinend hätte ich das Dokument vom behandelnden Arzt bekommen sollen.
Ich wartete also, bis dieser mit der Untersuchung seines nächsten Patienten fertig war, um ihn um das fehlende Stück Papier zu bitten. Nach kurzer Zeit hielt ich dieses dann auch tatsächlich in Händen, darauf vermerkt nur ein einziges Wort: Stuhluntersuchung. Natürlich. Das muss so notiert werden. Um Verwechslungen zu verhindern. Denn mit einer Stuhlprobe lassen sich ja so viele andere Untersuchungen anstellen…
Eine Formalität verwaltungstechnischer Art
Wie dem auch sei: Mit dem Formular in den Händen eilte ich immer noch einigermassen gut gelaunt zurück zum Labor, wo die Laborantin das Blatt mit zufriedener Miene entgegennahm. «Jetzt müssen wir nur noch abklären, ob Sie im Voraus bezahlen müssen». Meine Mundwinkel gaben unwillkürlich der Schwerkraft nach.
Einige Klicks auf dem Computer später dann die Bestätigung: «Jawohl, Sie sind leider nicht in unserer Kundendatei. Bitte gehen Sie zur Buchhaltung und begleichen Sie die Kosten für die Untersuchung.» Sie drückte mir das Formular wieder in die Hand. «Aber kann ich denn nicht alles am Ende bezahlen?» – «Können Sie schon, aber wir brauchen eine Bestätigung von der Buchhaltung, dass das in Ordnung geht.»
Ich zottelte also wieder zurück zum Empfang, wo mir der Weg zur Buchhaltung gewiesen wurde. Die Klinik erinnerte mich mittlerweile stark an das berühmte Haus, das Verrückte macht:
Im Buchhaltungsbüro empfing mich ein junger Herr und nahm den roten Zettel entgegen. Während er schon die Zahlung vorbereitete, erklärte ich ihm, dass ich eigentlich alles am Ende meines Aufenthaltes begleichen wollte. «Das ist überhaupt kein Problem», und mit diesen Worten erhielt ich auch sofort ein Häkchen auf mein Formular. Keine Unterschrift, kein Stempel, nein: Nur ein Häkchen. Und dafür war ich durch die ganze Klinik marschiert. Das nächste Mal würde ich einfach selbst einen schwarzen Stift mitnehmen und das ganze Formular selbst ausfüllen!
Fast am Ziel
Auf jeden Fall stand dem Test nun nichts mehr im Wege. Schnurstracks begab ich mich zurück ins Labor, um den Laborantinnen die Bestätigung der Buchhaltung in die Hände zu drücken. Stattdessen empfing mich ein bärbeissig dreinblickender älterer Herr und musterte mich fragend.
Ich erklärte also noch einmal, worum es ging und das ganze Spiel begann von vorne: Blick in Computer, Aufforderung zum Vorauszahlen, Erklärung meinerseits, dass ich das gerne am Ende meines Aufenthalts tun möchte und so weiter und so fort. Erst als ich – um Fassung ringend – mehrere Male auf das rote Formular mit dem Häkchen deutete, gab er sich zufrieden und leitete die weiteren Schritte ein.
Meine Laune war nun endgültig im Keller, aber wenigstens war der Test nun im Gange. Ich kehrte zur Rezeption zurück und wartete auf meine Resultate, welche dann auch schon eine halbe Stunde später da waren. Das überaus überraschende Ergebnis der fundierten Analyse stand in dicken Lettern auf meinem roten Zettel. Diagnose: Durchfall.
Na vielen Dank auch für diese bahnbrechende Erkenntnis, darauf wäre ich in meinem Leben nie gekommen.